Sidney Sheldon, Mein Leben zwischen den Zeilen

Buchtitel

Als ich siebzehn war, erschien mir die Arbeit als Bote für Afremow's Drugstore in Chicago als der perfekte Job, denn er gab mir die Gelegenheit, so viele Schlaftabletten zu stehlen, dass ich Selbstmord begehen konnte. Ich war nicht ganz sicher, wie viele Pillen nötig wären, also entschied ich mich für zwanzig Stück. Ich war vorsichtig genug, immer nur einige wenige einzustecken, um den Apotheker nicht misstrauisch zu machen. Ich hatte gelesen, dass Whiskey und Schlaftabletten eine tödliche Kombination seien, und beschloss, die Pillen mit Bourbon zu schlucken, um sicherzustellen, dass ich auch wirklich sterben würde.

Es war Samstag - der Samstag, auf den ich gewartet hatte. Meine Eltern waren übers Wochenende verreist, und mein Bruder Richard übernachtete bei einem Freund. Die Wohnung war leer, es gab niemanden, der meine Pläne durchkreuzen würde.

Um sechs Uhr rief der Apotheker: "Wir schließen."
Er hatte keine Ahnung, wie Recht er damit hatte. Es war Zeit, mit allem abzuschließen, was schiefgelaufen war. Nicht nur bei mir. Im ganzen Land.

Wir schrieben das Jahr 1934, und Amerika durchlebte eine schwere Krise. Fünf Jahre zuvor hatte es einen Börsencrash gegeben, und Tausende von Banken waren bankrottgegangen. Überall machten Betriebe dicht, und mehr als 13 Millionen verzweifelte Menschen waren ohne Arbeit. Die Löhne sanken auf einen Nickel die Stunde. Eine Million Vagabunden, darunter 200 000 Kinder, durchstreiften das Land. Eine verheerende Depression hielt uns im Griff. Ehemalige Millionäre begingen Selbstmord, und leitende Angestellte verkauften Äpfel auf den Straßen.

(Seite 344)

Wir drehten Patty Duke - Lebendiger denn je in New York und würden bald in Hollywood mit den Dreharbeiten für Bezaubernde Jeannie anfangen.

Da ich Jeannie auch produzierte und daher stark eingebunden war, engagierte ich Autoren für Patty Duke - Lebendiger denn je. Bald flog ich beinahe jedes Wochenende nach Hollywood. Die Zeit im Flieger verbrachte ich mit dem Überarbeiten der Patty-Duke-Skripts, und drei Tage die Woche bereitete ich Jeannie vor. Das Beverly Hills Hotel wurde mein Zuhause, wenn ich fern von zu Hause war.

Bei einem meiner Aufenthalte in Hollywood schickte Mort Werner, der Leiter bei NBC, nach mir. Er war wütend.

"Lesen Sie dieses Memo, Sheldon", sagte er und schob es mir herüber. Ich warf einen Blick darauf und wusste sofort, was passiert war. Dem Sender war auf einmal klar geworden, dass sie in diesen Tagen strenger Zensur eine Serie gekauft hatten, in der eine anziehende halbnackte junge Frau mit einem Junggesellen zusammenlebt, den sie dauernd fragt: "Was kann ich für Euch tun, Meister?" Sie waren in Panik geraten. In dem achtzehnseitigen Memo gab es Vorschriften wie:
Sie dürfen sich niemals berühren.
Wir möchten sehen, dass Jeannie in ihrer Flasche alleine schlafen geht.
Wir möchten sehen, dass Tony alleine schlafen geht, in seinem Bett.

Mit freundlicher Genehmigung der Random House GmbH, München 2007
ISBN: 978-3-442-36589-0